Interview mit H. Schoppelrey: "Lektorieren ist ein empfindliches Geschäft!"
Nachdem Heidrun Schoppelrey im ersten Teil dieses Interviews davon erzählt hat, wie ein markttaugliches Sachbuch-Exposé aussieht, gibt sie nun einige Tipps, was ein Autor dafür tun kann, dass die Zusammenarbeit mit dem Lektorat gut klappt. Und nebenbei geht es auch noch um Waschmaschinen...
Anne Oppermann: Lektoren und Autoren müssen während des Lektoratsprozesses gut zusammenarbeiten, damit das Buch ein Erfolg wird. Wie kommuniziert man während dieses Prozesses am besten mit „seinem“ Lektor? Was wünscht sich ein Lektor in dieser Zeit von „seinem“ Autor?
Heidrun Schoppelrey: Lektorieren ist ein empfindliches Geschäft. Da hat jemand sein Bestes gegeben und dann komme ich als Lektorin und sage: Da müssen wir umstellen, dieses Bild ist schräg, hier kann ich Ihnen nicht folgen und außerdem schreibt man "daß" jetzt mit zwei "ss". Das kann weh tun. Als Lektorin bemühe ich mich immer, diesen Prozess so angenehm wie möglich zu gestalten. Das kann ich aber nur, wenn der Autor sich nicht hundertprozentig mit dem Text identifiziert. Wenn er nicht glaubt, dass er oder sie sein Text IST. Mancher Autor (dies gilt insbesondere für Erstautoren) fühlt sich bei Änderungswünschen persönlich angegriffen. Da wird dann teilweise um jedes Komma gekämpft, weil es um die Ehre geht. Ich sage nicht, dass Autoren, alles akzeptieren sollen. Ich wünsche mir, dass der Autor in mir eine Unterstützerin sieht. Eine, die dasselbe Ziel hat wie er: ein tolles und erfolgreiches Buch.
A.O.: Was kann ein Lektor für einen Autor tun, was über das Finden und Korrigieren von Tippfehlern hinaus geht?
H.S.: Jeder, auch der erfahrenste Autor, verliert bisweilen die kritische Distanz zum eigenen Werk. Das nennt man Betriebsblindheit und die ist völlig normal. Hier kommt der Lektor ins Spiel. Als Textprofi und Erstleser hat er diese Distanz. Er merkt, ob der Aufbau schlüssig ist, ob der Text logische Brüche hat, ob verständlich formuliert wird und und und … Lektoren wissen auch viel darüber, wie ein Buch "gestrickt" sein muss, damit es sich gut verkauft. Dieses Wissen fließt ein in die Arbeit am Text und in die Buchgestaltung. Es geht ja auch noch um Buchtitel, Klappentexte, Layout und Umschlaggestaltung.
A.O.: Es herrscht in der Verlagsbranche vielerorts die Meinung, dass Bücher im Grunde Produkte sind wie andere Produkte auch. Was unterscheidet das Buchmarketing etwa vom Marketing für Waschmaschinen?
H.S.: Tja, das ist tatsächlich die Frage. Für mich ein bisschen schwierig zu beantworten, weil ich ja noch nie Marketing für Waschmaschinen gemacht habe . Vor zwanzig Jahren hätte diese Frage wahrscheinlich noch einen Aufschrei zur Folge gehabt: Bücher und Waschmaschinen vergleichen! Das ging gar nicht. Verlage haben sich ja immer (das tun viele auch heute noch, glücklicherweise!) als Vermittler von Werten verstanden. Das Ziel, die Gesellschaft voranzubringen, wichtigen Ideen ein Forum zu geben, stand an erster Stelle. Die Wirtschaftlichkeit von Büchern trat hinter diesen Zielen schon mal zurück.
Das hat sich geändert. Wie alle Märkte ist auch der Buchmarkt schwer umkämpft und keiner hat Geld zu verschenken. Da muss streng kalkuliert werden, denn wenn man vor lauter Idealismus in die roten Zahlen rutscht, ist niemandem geholfen. Nicht den Autoren, nicht den Verlagsangestellten, nicht der Welt. Dennoch gibt es nach wie vor Veröffentlichungen, bei denen nicht so genau gekuckt wird, ob unterm Strich etwas dabei herauskommt. Das passiert bei Büchern, die für Verlage auf anderen Ebenen als der Wirtschaftlichkeit eine Wertigkeit haben. Da kann es um ideelle Ziele gehen oder darum, der Kunst eine Chance zu geben. Vielleicht möchte man den Verlag auf eine bestimmte Art positionieren, eine Weiche für die Zukunft stellen … aber da sind wir dann schon wieder bei den Waschmaschinen. Kurz gesagt: Sooo sehr unterscheiden sich die Marketingstrategien wahrscheinlich nicht mehr (abgesehen davon dass die Marketing-Etats für Waschmaschinen um ein Vielfaches höher sind als die für Bücher ).
A.O.: Du bist ja PR-Fachfrau: Was kann deiner Meinung nach ein Sachbuch dem Autor in Sachen Selbstmarketing bringen?
H.S.: Auch wenn wir in Zeiten des Internets leben: Das Buch hat einen hohen Stellenwert. Wer von sich sagen kann, er hat ein Buch veröffentlicht, verschafft sich Respekt. Wenn man die Veröffentlichung dann auch noch in ein Selbstmarketing-Konzept einbindet, umso besser. Eine Veröffentlichung ist wie ein kleiner Ritterschlag. Sie scheint zu beweisen: Hier ist Qualität geboten. Wer sein Buch geschickt nutzt, wird bekannter und gewinnt neue Geschäftskontakte. Außerdem lassen sich aus dem Buch weitere Kundenbindungs- und Kundengewinnungsstrategien ableiten.
A.O.: Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Ich danke dir, Anne! Den jungen Autorinnen und Autoren wünsche ich viel Erfolg!
P.S.: Noch zwei Anmerkungen in eigener Sache:
1. Dieses Blog macht nun eine Osterpause.
2. Dies ist inzwischen übrigens mein 100. Blogbeitrag. Ich danke Euch ganz herzlich fürs Lesen, Kommentieren und Mitmachen!
12 Kommentare
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