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Das eierlegende Wollmilchschaf


Silberpfeil

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Da sich eins meiner letzten Module aus hochschulinternen Gründen verschoben hat, hatte ich mehr oder weniger Zwangspause, denn die Module DKP (Didaktik der beruflichen Fachrichtung Pflege) und PST (Praxisstudien) müssen in der genannten Reihenfolge ablaufen.

In DKP steht die Teilnahme an einer Online-Präsenz und im Anschluss eine Hausarbeit an, die ein fachdidaktisches Thema haben soll. Bei der Online-Präsenz kann man sich bereits thematisch inspirieren lassen, und die Dozentin ist sehr bemüht, auf alle Wünsche einzugehen. Jedoch kann man erst, wenn man die Hausarbeit mit Exposè angemeldet hat, in die Praxisstudien starten. Dieses Modul beinhaltet dann ein Praktikum an einer Berufsfachschule (oder beim eigenen Arbeitgeber) und eine weitere Hausarbeit. Die Hausarbeit in PST soll sich dann thematisch an die Hausarbeit aus DKP anschließen und im Prinzip eine kleine Forschungsarbeit (als Übung für die Masterthesis) darstellen. 

Ehrlich gesagt ist das in der Ausführung noch komplizierter als in der Beschreibung. 🙂 Sicherlich hat die HFH sich etwas gutes dabei gedacht, aber in der Umsetzung stört mich schon, dass ich mir den Ablauf fünf Mal durchlesen muss und es gefühlt immer noch nicht verstanden habe. Wenn ich schon mehr Zeit mit den Formalien verbringe als mit der eigentlichen pädagogischen Aufgabe, steigt mein Frustlevel doch deutlich an. 😮‍💨

 

Abgesehen davon ist auch an meinem Arbeitsplatz alle Hände voll zu tun. Im September ist ein neuer Ausbildungskurs gestartet, und "mein Kurs" hat zum Ende des 2. Ausbildungsjahres Zeugnisse erhalten.

Eine Sache hat mich in den letzten Monaten sehr erschüttert: wir haben einige Azubis mit Migrationshintergrund, die von den Behörden völlig verschieden behandelt werden. 

Menschen aus der Ukraine dürfen während der Arbeitszeit an Sprachkursen teilnehmen, was ich prinzipiell absolut begrüße. Menschen aus anderen sogenannten "Drittstaaten" haben als Aufenthaltsstatus nur eine "Duldung" für die Zeit der Ausbildung. In der Praxis sieht das so aus, dass diese Azubis teilweise mit ernsthaften gesundheitlichen Problemen zur Arbeit oder zur Schule kommen aus Angst vor der Abschiebung. Sprachkurse gab es für sie nicht, wir durften ihnen nicht mal in Klausuren 15 Minuten mehr Zeit zum Schreiben geben. Die Landesschulbehörde setzt also ein bestimmtes Sprachniveau nur dann voraus, wenn man nicht aus der Ukraine kommt. Genauso verhält es sich mit der Anerkennung von Dokumenten oder der Fahrerlaubnis, die hier im ländlichen Raum im Pflegeberuf eigentlich unerlässlich ist. 

Ich habe also "neben" meiner Haupttätigkeit auch immer wieder Telefonate mit Fachanwälten für Migrationsrecht, einer Landesaufnahmebehörde oder der Führerscheinstelle geführt. 😑 Einfach darüber hinwegsehen kann ich aber auch nicht, da für die Betroffenen an diesen Fragen ihr Lebensplan hängt und damit eben auch Ängste verbunden sind. 

In meinen Augen ist diese Ungleichbehandlung nichts anderes als Rassismus und das erschüttert mich, weil ich in meiner scheinbar grenzenlosen Naivität dachte, im Jahr 2024 würde es so etwas nicht mehr geben. 

 

Es würde mich sehr interessieren, welche Erfahrungen Ihr mit dem Thema gemacht habt.

 

Bis bald!

Silberpfeil

 

 

 

Bearbeitet von Silberpfeil

10 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Keine Erfahrungen, nur eine Idee:

 

Könnten Sie nicht eine Initiative zu Sprachtandems starten? Hier in Ingelheim macht die Kommune so etwas. Und Sie hätten ja einschlägig sprachtrainiertes Publikum in Absolventen oder Ausbildungsgängen inkl. deren Angehörigen. An die örtliche VHS könnte man sich auch dranhängen oder Aushänge bei Ärzten, Physios etc. machen, um Freiwillige zu rekrutieren.

 

Die Sonderbehandlung von Ukraineflüchtlingen finde ich absolut daneben. 

Bearbeitet von KanzlerCoaching
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vor 9 Minuten schrieb KanzlerCoaching:

Keine Erfahrungen, nur eine Idee:

 

Könnten Sie nicht eine Initiative zu Sprachtandems starten? Hier in Ingelheim macht die Kommune so etwas. Und Sie hätten ja einschlägig sprachtrainiertes Publikum in Absolventen oder Ausbildungsgängen inkl. deren Angehörigen. An die örtliche VHS könnte man sich auch dranhängen oder Aushänge bei Ärzten, Physios etc. machen, um Freiwillige zu rekrutieren.

 

Die Sonderbehandlung von Ukraineflüchtlingen finde ich absolut daneben. 

Bedeutet Sprachtandem:

eine freiwillige Person mit Deutsch als Erstsprache und ein Azubi mit Deutsch als Fremdsprache?

Die Idee gefällt mir! Danke für die Inspiration. 

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Ganz genau!

 

Man müsste auch keine Themen suchen, sondern könnte an Texten aus dem Unterrichtsmaterial arbeiten in Richtung "lesen - verstehen - nacherzählen". Oder die Schreibfähigkeit erhöhen, indem man Fachbegriffe diktiert oder ganze Texte.

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Wenn Sie das Thema angehen wollen, dann sprechen Sie mich darauf an. Ich kann Ihnen einiges dazu sagen, worauf Sie bei der Organisation achten sollten.

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Liebe Silberpfeil,

 

vielen Dank, dass du den Fingern in die Wunde legst. 

Mit dieser Problematik wurde ich sowohl persönlich wie auch beruflich bereits konfrontiert.

Ich nehme auch diese Sonderbehandlung von ukrainischen Flüchtlingen war. Bis zu einem gewissen Punkt kann ich manche Bemühungen der deutschen Behörden um die ukrainischen Flüchtlinge verstehen. Auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel.Aber eben nur bis zu einem gewissen Punkt.

 

Aktuell finde ich jedoch, dass es zu weit geht. Auf den Bildungswegekonferenzen bezüglich der inklusiven Beschulung von Kindern mit Behinderung an einer normalen Schule wird mir in letzter Zeit immer wieder von den Lehrkräften mitgeteilt,  dass sie sich in einem ethischen Dilemma befinden.  Entweder können sie einen Platz einem behinderten Kind oder einem ukrainischen Flüchtingskind zur Verfügung stellen. Und diese bekommen dann auch die separaten Ruheräume, die eigentlich für ein behindertes Kind vorbehalten waren.Zunehmend bekommen wir Absagen für unsere behinderte Kinder, weil die Entscheidung zugunsten von ukrainischen Flüchtingskindern getroffen wurde. Der obersten Ministeriumbehörde ist diese Problematik längst bekannt, aber die wollen sich da nicht einmischen. Und lassen die Schulen mit diesem Problem allein. Und wir gehen zunehmend leer aus. Ist denn ein ukrainisches Kind mehr Wert als ein deutsches Kind oder anderes ausländisches Kind mit Behinderung?

 

Am Gymnasium von meiner Tochter bekommen die ukrainischen Schüler alles auf dem Silbertablett serviert. Die Lehrerschaft erstellt doppeltsprachige Klassenarbeiten, weil die deutsche Sprache ja so schwer ist. Vorne haben die Lehrer noch zusätzlichen Übersetzungsapps, falls die ukrainischen Schüler Fragen haben sollte und diese noch nicht in deutsche Sprache formulieren können. Die bekommen sogar 10 Minuten für Klassenarbeiten mehr zugestanden als die deutschen Schülern. Und teilweise können sie sich auch daneben benehmen: mit Stiften umeinander werfen, Tische zerstören oder die Stühle von den anderen Schülern wegziehen, so dass die anderen hinfallen können. Da sagt kein Lehrer dazu was, im Gegensatz zu einem deutschen Kind. Meine Erfahrung, zumindest an der Schule von meiner Tochter ist die, dass dann die Ukrainer sowieso unter sich bleiben und ukrainisch sprechen. Die bemühen sich nicht so sehr hier den Anschluss zu finden. Sicherlich gibt es ganz bestimmt auch Ausnahmen. Aber viele tun dies eben nicht.

 

Das ist die Erfahrung, die ich aktuell mache.

Von Gleichbehandlung kann hier keine Rede sein. 

 

Wir sind auch aktuell dabei, uns als Elternvertreter an der Schule etwas zu überlegen.

 

Liebe Grüße 

 

Byana 

 

 

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@Byana Was Du beschreibst, ist wirklich traurig. 

Ich darf für Azubis, die arabisch oder andere Erstsprachen haben, keine Ausnahmen machen. Wir hatten extra eine Anfrage bei der Landesschulbehörde gemacht. Es kommt dann tatsächlich gleich die Pauschalaussage "wer kein Deutsch lernt, wird abgeschoben."

Wir sind in einem Bereich, in dem händeringend Fachkräfte gesucht werden. "Mein" Azubi hat Sorge, dass er nach der Ausbildung direkt abgeschoben wird, obwohl er jetzt schon von mehreren Arbeitgebern Angebote zur Festanstellung nach der Ausbildung bekommen hat. Ich verstehe es nicht und finde es beschämend. 

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Das fiel mir diese Woche auch an den Schulen meiner Kinder auf. Für Uklrainer*innen gibt es eigene Brückenklassen. Andere Nationen bekommen dagegen zu hören, unfähig --> Schule wechseln. 

Schwieriges Thema.

 

Auch die Kunst als Ingenieur aus dem falschen Land an eine Arbeitserlaubnis zu kommen. Das habe ich mir nie vorstellen können, bis mein Mann mit einer Familie im Ort ins Gespräch kam.

 

Bearbeitet von Schrotti
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vor 25 Minuten schrieb Schrotti:

 

Auch die Kunst als Ingenieur aus dem falschen Land an eine Arbeitserlaubnis zu kommen. Das habe ich mir nie vorstellen können, bis mein Mann mit einer Familie im Ort ins Gespräch kam.

 

Das gilt auch für Ärzte und Pflegepersonal. Generell muss man leider sagen: wenn man einem Menschen optisch einen Migrationshintergrund ansieht oder einen bspw. arabischen Namen trägt, wird man grundsätzlich benachteiligt.

 

Ich möchte aber bitte nicht falsch verstanden werden: ich finde die Hilfen für die Menschen aus der Ukraine richtig. Meiner Meinung nach sollten nur alle Menschen das gleiche Maß an Hilfe bekommen. Und Menschen, die als Fachkräfte arbeiten können, sollten grundsätzlich wie EU-Bürger behandelt werden. 

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Am 14.10.2024 um 14:27 schrieb Silberpfeil:

@Byana Was Du beschreibst, ist wirklich traurig. 

Ich darf für Azubis, die arabisch oder andere Erstsprachen haben, keine Ausnahmen machen. Wir hatten extra eine Anfrage bei der Landesschulbehörde gemacht. Es kommt dann tatsächlich gleich die Pauschalaussage "wer kein Deutsch lernt, wird abgeschoben."

Wir sind in einem Bereich, in dem händeringend Fachkräfte gesucht werden. "Mein" Azubi hat Sorge, dass er nach der Ausbildung direkt abgeschoben wird, obwohl er jetzt schon von mehreren Arbeitgebern Angebote zur Festanstellung nach der Ausbildung bekommen hat. Ich verstehe es nicht und finde es beschämend. 

 

 Liebe Silberpfeil,

 

das ist leider traurig, aber wahr. Und ich kann die Sorgen deines Azubis absolut nachvollziehen. Diese existenzielle Angst, die haben viele Flüchtlinge und solange man nur hier geduldet wird, verschwindet diese Angst auch nicht. Aber gerade im Pflegebereich werden und müssen ja ausländische Fachkräfte rekrutiert werden.  Wenn dein Azubi schon mehrere Angebote zur Festanstellung hat und diese Angebote wirklich auch erst gemeint sind, wird er aller Voraussucht nach hier bleiben können. Ich hatte kürzlich einen ähnlichen Fall mit einer syrischen Ärztin. Der Richter hat in ihrem Fall zu ihrem Gunsten entschieden, weil sie sich Punkt a) hier gut integriert hat, Punkt b) einen gesellschaftlich relevanten Beruf hatte und im Dienste  der Menschlichkeit aebeitet und Punkt c) festen Arbeitsplatz vorweisen konnte. Und das habe ich noch vergessen, sorry: sie ist noch nie strafrechtlich in Erscheinung getreten. Das ist nämlich für die Richter auch entscheidend.

 

Es gibt zwischenzeitlich einen afrikanischen Herzchirurgen, der mit 13 Jahren als unbegleiteter Junge nach Deutschland kam und zwischenzeitlich auch Bücher über seine Erfahrungen über die Flucht sowie auch über das Gesundheitssystem schreibt. Das erste Buch über seine Fluchtrrfahrungen heißt "Grundfarbe Deutsch" von Uman Aranganhin. Und ich finde, er beschreibt die Situation wirklich gut und macht auch tolle Verbessungsvorschläge für den Umgang mit Flüchtlingen. Ist wirklich sehr empfehlenswert das Buch.

 

Und auch das andere über das Gesundheitssystem. Da fällt jetzt aktuell aber leider nicht der Name ein. 

 

Liebe Grüße 

 

Byana 

 

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P. S. habe noch was vergessen, nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund werden völlig unterschiedlich von Behörden behandelt und immer mehr mit diversen Barrieren konfrontiert. Sondern auch bei Menschen mit Behinderung gibt es immer mehr Barrieren. Selbst sogar für uns Fachkräfte. Zwischenzeitlich bekommen wir auch die Wut und die verbale Attacken deutlich zu spüren. Davon habe ich auch aktuell in meinem Blog berichtet. Vielleicht magst du auch dazu was sagen?

 

Liebe Grüße 

 

Byana 

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