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Professionelles Handeln in der Praxis mit beeinträchtigten Kindern


Byana

301 Aufrufe

Liebe Fernstudium-Community,

 

in den letzten Wochen und Monaten ruhte mein Blog, da mich meine Abschlussarbeit neben meinem Vollzeitjob und meiner Familie voll in Beschlag nahm. Jetzt ist es endlich vollbracht und die Abschlussarbeit wurde in "in doppelte Verpackung" verschickt -  einmal in gedruckte und gebundene Schriftform per Post als 📚-Sendung unterwegs und einmal ist es als digitale Version an die HFH hochgeladen worden. Es kann jetzt eine Weile  bis  Ende September dauern, bis ich das Ergebnis bekomme.

 

Und deshalb kann ich jetzt die Wartezeit nutzen, um in meinem Blog etwas mehr Gas ✈️zu geben, also etwas mehr turbomässiger unterwegs zu sein, um den Rückstand aufzuholen.

 

Deshalb geht es jetzt hier erstmal mit der professionellen Praxis weiter. Inspiriert von @Vica's Blogs möchte ich euch ebenfalls den spannenden Alltag im Teilhabemanagement zeigen 👉 und werde euch auf eine spannende und manchmal auch etwas herausfordernde Reise zu den Klient*Innen und ihren Bezugspersonen mitnehmen. Auch die Verknüpfungen und Vernetzungen zu anderen Einrichtungen und Systeme werden aufgezeigt.

 

Und nun geht es mit den Kleinsten und den spezifischen Leistungen für die Kleinsten los.

 

1. Das Baby mit dem Schütteltrauma

 

Erst kürzlich war ich mit den Kolleginnen der Frühen Hilfen sowie der Jugendhilfe bei einem Akuteinsatz in einer Kinderklinik und auf der Säuglings-/Kleinkindstation unterwegs. Ein 8-Wochen alter Säugling wurde als Notfall eingeliefert. Der zuständige Arzt schilderte uns kurz, was passiert ist: der Säugling schlief in der letzt Zeit nachts nur kurzzeitig ein, wurde dann nach ca. 30 Min. bis eine Stunde später wieder  wach und in diesen Wachphasen schrie und heulte das Baby die ganze Zeit. Da sich die Mutter die vorherigen Nächte um das Baby kümmerte und jetzt einfach total übermüdet war und selbst schlafen musste, bat sie ihren Partner darum, sich in dieser Nacht, um das Baby zu kümmern. Dies tat er dann auch. Allerdings verlor er nach dem vierten oder fünften nächtlichen Einsatz die Kontrolle und fing an, das Baby immer stärker und stärker zu schütteln. Er hörte erst dann auf, als das Kind nicht mehr schrie. Durch das immer stärker werdendes Schütteln wurden viele Funktionen im Gehirn des Babys zerstört. Und das bis dahin gesunde Kind überlebte zwar diese unüberlegte und spontane Schüttelaktion, wird aber zeit seines Lebens geistig schwerst behindert bleiben. Durch das ruckartige Vor- und Zurückschleudern des Kopfes des Babys führte dies zur Rissen der Blutgefäße unter der Hirnhaut, was letztendlich zur schweren Hirnschädigung führte.Die Ärzte in der Klinik stellten dann eine schwere geistige Behinderung fest, woraus sich u. a. ebenfalls unsere Zuständigkeit ergab. Da das Baby durch das Schütteln körperlich misshandelt wurde und somit eine Kindeswohlgefährdung eingetreten ist, wurden auch die Kolleg* Innen der Jugendhilfe verständigt.

 

Bereits in der Klinik bei diesem Akuteinsatz haben wir mit den zuständigen Ärzten, dem Kliniksozialdienst sowie mit meinen Jugendhilfe-Kolleginnen,die für das Baby in Frage kommenden Versorgungsmöglichkeit besprochen. Nach Hause konnte das Baby aus der Klinik nicht entlassen werden, da dieses Ereignis für die Mutter selbst nicht zu verkraften war und sie selbst zunächst akut psychisch, dann aber auch dauerhaft versorgt werden musste. Leider konnte für das Baby keine Pflegefamilie gefunden werden.

 

Also habe ich dann mit entsprechenden Einrichtungen der Behindertenhilfe für Säuglinge und Kleinkinder Kontakt aufgenommen und wir konnten es dann dorthin vermitteln.Es wurde direkt aus der Klinik in ein Kinderheim für schwerst- und mehrfach behinderte Kinder verlegt. Mit Kolleginnen der Jugendhilfe habe ich dann gemeinsam noch eine Stellungnahme sowie ein Gutachten für das Gericht verfasst, da der Partner der Mutter von der Polizei festgenommen wurde und ein Gerichtsverfahren gegen ihn eröffnet wird.

 

Das Gefährliche am Schütteln bei Säuglingen und Kleinkindern ist zum einen die schwach ausgebildete Nackenmuskulatur, aufgrund dessen die Babys nicht in der Lage sind, den Kopf alleine zu halten. Des Weiteren fehlen äußere Kennzeichen bzw. diese lassen sich nur schwer erkennen. Nach heftigem Schütteln können sich jedoch Symptome des Erbrechens, Krampfanfälle, Blässe, etc. zeigen. Laut statistischen Angaben überleben nur 10 bis 20 % der Säuglinge ein diagnostiziertes Schütteltrauma ohne dauerhafte bleibenden Schäden. Bei ca. 30 % führt ein heftiges Schütteltrauma zur Tode. 

 

Trotz engagierter medizinischen und sozialen Fachkräften, die unermündlich gesundheitliche Aufklärungsarbeit leisten, kommt es immer wieder in der Praxis zur elterlichen Überforderungssituationen im Säuglingsalter, die bei unüberlegten Handlungen mit  gravierende Folgen für Säuglinge und Kleinkinder einhergehen können. Und immer wieder höre ich in der Praxis, dass die Folgen den Eltern nicht bewusst waren. Hier muss noch mehr gemacht werden.

 

2. Die Elternassistenz 

Mehr gemacht wird zwischenzeitlich auch für die Eltern mit Behinderung. Durch das Bundesteilhabegesetz gibt es speziell für werdende oder auch schon gewordene Eltern besondere Assistenzleistungen, wie z. B. die Elternassistenz. Die Elternassistenz hilft den Eltern mit Behinderung bei der Alltagsplanung und -gestaltung mit Kindern. So werden beispielsweise die Eltern durch die Elternassistenz darin unterstützt, ihre  Babys zu wickeln, zu baden oder zu pflegen. Es wird Ihnen gezeigt, wie sie für Ihre Kinder ein gesundes Essen vorbereiten können oder die Eltern werden durch die Elternassistenz zum Kinderspielplatz begleitet. Dies kann gerade für blinde Eltern eine hilfreiche Unterstützung sein, denn sie können aufgrund Ihrer Sehbeeinträchtigung z. B.  nicht die Gefahren für ihre Kinder auf einem Spielplatz erkennen. Auch Eltern mit dauerhaften psychischen Erkrankungen oder Eltern mit lntelligenzminderung brauchen manchmal die Elternassistenz. Aktuell bin ich für mehrere Eltern mit unterschiedlichen Arten der Behinderung, die eine Elternassistenz benötigen, zuständig. Die Arbeit mit den Eltern mit Behinderung macht mir persönlich sehr viel Freude, ist aber auch mit vielen sozialrechtlichen Antragstellung verbunden. So muss beispielsweise die Erstaustattung für das Kind beantragt werden. Dabei berate und unterstütze ich die Eltern.

 

Die Elternassistenz deckt jedoch nur den behinderungsbedingten Nachteil aus. Sollten erziehungsbedingte Probleme entstehen, die sich speziell auf die Eltern-Kind-Rolle beziehen, steht den Eltern bei Erfüllung von bestimmten Voraussetzungen eine sozialpädagogische Familienhilfe zu. Diese Leistung ist nicht im SGB IX (Bundesteilhabegesetz) vorgesehen, sondern nur im SGB VIII. Und deshalb ist auch hier eine entsprechende Zusammenarbeit mit Kollegen der Kinder-und Jugendhilfe erforderlich.

 

Da arbeite ich dann ebenfalls Hand in Hand mit der Jugendhilfe zusammen. Für die Eltern mit Behinderung sollen diese Leistungen nach dem BTHG  "wie Leistungen aus einer Hand" erfolgen, so dass hier im Rahmen des Antagssplittings viel Koordinations-und Kooperationarbeit zu leisten ist. Antragssplitting bedeutet, dass ein bei uns eingegangener Antrag auf unterschiedliche Leistungen auf unterschiedlich zuständige Leistunsträgern für die eben zuständigen Teilbereiche aufgeteilt wird. In diesem Fall hier eben auf die Leistungsträger aus dem SGB VIII und SGB IX Bereich.

 

Diese detaillierten Leistungen werden dann auch im Rahmen von Teilhabe -Gesprächen mit allen Akteuren und Beteiligten besprochen und im Anschluss erfolgt dann die Erstellung eines Teilhabeplans. Hier wird kurz der aktuelle Sachverhalt geschildert, die medizinisch festgestellten Diagnosen sowie die Art oder die Arten und der Schweregrad der Behinderung aufgeführt. Des Weiteren werden hier im Regelfall auch Teilhabeziele vereinbart.

 

Demnächst werde ich euch dann etwas über meine Arbeit mit Kindern in den unterschiedlichsten Wohnformen wie z. B. bei den Eltern, den Pflegeeltern oder in speziellen therapeutischen Einrichtungen der Behindertenhilfe erzählen...

 

Bis bald!

 

Viele Grüße 

 

Byana 

 

 

 

 

 

Bearbeitet von Byana

2 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Sehr wichtige Arbeit, die ihr hier leistet!

Ich hatte in der KJP einen mittlerweile jugendlichen Patienten, der als Baby von der Mama geschüttelt wurde und als Ergebnis eine geistige Behinderung davongetragen hatte. Die Tat von damals und der Umgang mit den permanenten Kontaktaufnahmen der Mutter war ein großes Thema in der Therapie.

Gottseidank hatte man dieser Familie damals auch sehr schnell sehr gut geholfen! 🙂

Beste Grüße und toi toi toi

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Am 26.8.2024 um 09:06 schrieb Vica:

Sehr wichtige Arbeit, die ihr hier leistet!

Ich hatte in der KJP einen mittlerweile jugendlichen Patienten, der als Baby von der Mama geschüttelt wurde und als Ergebnis eine geistige Behinderung davongetragen hatte. Die Tat von damals und der Umgang mit den permanenten Kontaktaufnahmen der Mutter war ein großes Thema in der Therapie.

Gottseidank hatte man dieser Familie damals auch sehr schnell sehr gut geholfen! 🙂

Beste Grüße und toi toi toi

Hallo Vica,

 

danke für deinen Kommentar. Die häufigste Art von Behinderung, die durch das Schütteln entstehen kann, ist tatsächlich die geistige Behinderung, die vom Schweregrad her variiert. Je nachdem wie stark das Schütteln ist, können damit einhergehend auch zusätzliche Behinderungsarten wie eine körperliche oder zusätzliche Sinnesbeeinträchtigungen entstehen. 

 

Noch mehr präventive Aufklärungsarbeit könnte vielleicht tatsächlich etwas positives bewirken und die Anzahl solcher Fälle minimieren. Darüber hinaus ist es wesentlich, dass den  betroffenen Familien schnell geholfen wird. Es freut mich, dass du deinem Klienten helfen konntest, dieses Thema in den Therapiesitzungen aufzuarbeiten. Was mich interessieren würde ist, ob ihr damals die Mutter mit in die Therapie einbezogen habt?

 

Finde ebenfalls, dass dies eine wichtige und wertvolle Arbeit ist.

 

Liebe Grüße 

 

Byana 

Bearbeitet von Byana
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