Motivation auf Werkseinstellung zurückgesetzt
Unluststimmung - dieses witzige Wort aus der Psychologie (das auch im englischen Sprachgebrauch so belassen wurde und regelmäßig für babylonische Sprachverwirrung sorgt) beschreibt die Atmosphäre auf der Arbeit gerade am besten. Die Mundwinkel hängen am Boden, es wird viel Dienst nach Vorschrift gemacht und erschreckend wenig gelacht. Es gibt nur ein einziges Thema zwischen allen Stationen - die Kündigungswelle. Vom Pförtner bis zum Oberarzt bangt jeder um seinen Job. Niemand weiß, ob an seinem Stuhlbein gesägt wird und wie er das beeinflussen soll.
In jeden Bereich wurde jemand abgesägt, selbst Ärzte, vor ca. 8 Wochen erst eingestellt. Von oben: Keine Aussage, Erklärung, Ankündigung. Fest steht nur, dass diese Entscheidungen in der Verwaltung des Mutterkonzerns getroffen wurden. Irgendwie ist auch ein wenig durchgesickert, dass unser Haus massiv - und zwar besorgniserregend - überschuldet ist. Und das nicht erst seit gestern. Warum man unter den Voraussetzungen dann um Fachpersonal überhaupt geworben hat? Tjoah.
Ich habe übrigens durchaus Verständnis für Stellenstreicherungen, erst recht seit Corona. Niemand brauch das wohl in einer Zeit wie jetzt groß persönlich zu nehmen. Enttäuschend finde ich aber, dass die Kündigungen nirgends thematisiert werden aus unserer Leitung. Auch keine Solidarität.
Was bedeutet das für mich? Für's Erste schaut es so aus, als sei man Platz nicht weg. Der Grund dafür dürfte die schon von @Muddlehead Kostengünstigkeit fürs Haus sein, die meine Stelle mitbringt. Jedoch haben meine Chefs (auch nur mittelgroße Fische im Haus) mir auf mein Nachfragen hin erklärt, dass sie nicht sicher sagen können, wie die Situation in 3 Monaten aussieht, da die Entscheidungen vom Mutterkonzern nur mitgeteilt, aber nicht begründet würden.
Es ist demnach gar nicht sicher, ob ich das Klinikjahr hier zu Ende machen "darf".
Ich finde es ehrlich gesagt schwer, damit umzugehen, dass die Stelle eventuell immer wackelig sein wird und von etwas abhängt, auf das ich keinerlei Einfluss habe. Andererseits merke ich auch, dass da vieles wieder an meiner Einstellung hängt; schließlich war der Weg vom Studium bis in die Ausbildung und letztlich hierher so schwer, steinig und beinahe unmöglich - wenn man diesen Berg erstmal bestiegen hat, dann kann doch danach nur noch das Happy End kommen? Die Rechnung habe ich ohne die Realität gemacht, die sich durch Privatisierung im Gesundheitswesens zeigt. Sowas hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm.
Letztlich gibt es ja auch gute Nachrichten. So mussten zum Beispiel auch Kündigungen zurückgenommen werden. Meine Chefs scheinen mir zu trauen, sie planen Projekte mit mir. Die liegen in der Zukunft.
Schlussendlich muss man sagen: Die Arbeit und das Haus für sich, mit allen aktiven Mitarbeiterin, Patienten, Station und die Möglichkeit, die meine Stelle bietet, ist spitze. Das motiviert, zunächst mal weiterzumachen. Ich werde aber sehr genau beobachten, was die nächsten Wochen passiert.
Jetzt ist erstmal das ganze Wochenende voll mit Seminaren; ein ganz schön zusätzlicher mentaler Kraftaufwand bei dem Chaos.
Bleibt gesund & haltet zusammen,
LG
Feature Foto: Matthis_Volquardsen/pexel.com
Bearbeitet von Vica
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