Forschungsmethode und LQG
@MartinGS hatte im letzten Post gebeten, u. a. etwas mehr auf die Forschungsmethode einzugehen.
Ich benutze die Methodik von Nunamaker & Chen und Purdin:
Quelle: 1 A multi-methodological approach to IS Research (adapted from Nunamaker, Chen and Purdin 1990-91, p.94) aus Researchgate
Fangen wir ganz von vorne an! Kapitel 1 - das wichtigste für eine Thesis und auch Grundlage eines Exposé:
Motivation
In der Motivation wird die wissenschaftliche Relevanz dargestellt. Also nicht, was Dich motiviert diese Arbeit/Forschung zu schreiben, sondern warum diese wissenschaftlich und gesellschaftlich relevant ist. In einer Dissertation muss es ein Thema sein, das noch keiner vor Dir in der Form bearbeitet hat und neue Wissenschaftliche Erkenntnisse bringt. Bachelor und Master ist das etwas lockerer, was die neuen wissenschaftliche Erkenntnis angeht. Hier reicht es nicht zu sagen, keiner hat bisher rote Fernseher gemacht, denn das ist gesellschaftlich "sorry, scheiß egal". Dies belegt man mit Zeitungsartikel (nicht Bild, sondern ordentlicher Journalismus) und belastbare Internetquellen. Am Besten, so wie bei mir, gibt es Ausschreibungen der EU, wo die Relevanz klar beschrieben ist, dann muss man hier "weniger" nachweisen. Also die RELEVANZ Gesellschaftlich und Wissenschaftlich.
Übergeordnete Ziele der Arbeit
Das ist ein Optionaler Punkt, kommt nur, wenn die Arbeit sich in eine andere Arbeit eingliedert. Also die Bachelor-/Masterarbeiten, die Thematisch auf meine Promotion einzahlen, haben mein Thema drin und ich hab das Thema meines Habils drin. Ansonsten kann man dies weglassen.
Problemstellung
Hier werden die Problembereiche (PB) dargestellt in PB1 bis PBx. Bachelor und Masterarbeiten haben hier meist nur einen Problembereich, während in einer Dissertation das schon 3-5 sein können. Das ist das Problem, das bestenfalls gelöst, aber mind. gelindert werden soll. Das muss auch mit Quellen belastbar sein, dass dies auch ein Problem ist! Es reicht jetzt nicht zu sagen, es gibt keine roten Fernseher.
PB1 ....
Forschungsfragen
Hier kommt dann die Forschungsfrage (FF), die es zu beantworten gilt! In dem Fall ist die Frage immer, wie kann der Problembereich z.B. PB1 durch irgendwas verbessert werden? Hier werden die Forschungsfragen den Problembereichen zugewiesen, also:
zu PB1 , FF1: ...?
Herausforderungen
Herausforderungen (HF) sind Dinge, wo derzeit nicht klar ist, wie die gelöst werden und die Knackpunkte sind, die in der Arbeit gelöst werden müssen. Diese werden den FF zugeordnet:
zu FF1, HF1: ....
Forschungsmethode und Ziele
Hier kommt Nunamaker, Chen und Purdin rein und es wird beschrieben, wie das Rahmenwerk funktioniert. In dem Fall (Kurzform) fangen wir an mit der Beobachtung (Observation, O), gehen dann weiter in die Theoriebildung (Theory Building, T), dann in die Systemenwicklung (System Development, S) und zuletzt in das Experiment (Experimentation, E). Wir können aber beliebig in den Phasen zurück springen und dann wieder vor.
Jetzt machen wir zu jeder Forschungsfrage, ein oder mehrere Forschungsziele (FZ). Das könnte nun so aussehen:
FF1: FZ1
FF1: FZ2
FF2: FZ3
Defakto benutzen wir aber nun Nunamaker und da haben wir ja schon Ziele (OTSE):
Also zur FF1 hatten wir eine Frage, die sich von dem PB1 abgeleitet hat. Wieder ein Beispiel, PB1: Auf dem Gehweg gibt es nasse Pfützen und die Schuhe werden nass. FF1: Wie können Pfützen überwunden werden, ohne die Schuhe nass zu machen? O = Ich suche (recherchiere) so lange, bis ich glaube alle Methoden gefunden zu haben, um an den Pfützen trocken vorbei zu kommen. T = Ich bilde eine Theorie, wenn ich drüber springe mit einer Sprungstelze, werde ich nicht nass! S = Ich baue eine Sprungstelze und E = probiere es aus und springe x mal über die Pfützen (Quantitativ) und schaue, ob meine Schuhe nass waren.
Wer keine Sprungstelze kennt, so sieht das Ding aus:
Quelle: Amazon.de (kein Affiliate)
Also haben wir:
FF1: FZ1 O
FF1: FZ2 T
FF1: FZ3 S
FF1: FZ4 E
FF2: FZ5 O
FF2: FZ6 T
FF2: FZ7 S
FF2: FZ8 E
FF3: FZ9 O
FF3: FZ10 T
FF3: FZ11 S
FF3: FZ12 E
Hier kann man aber auch Dinge zusammenfassen, wenn es keinen Sinn macht, die zu trennen, z.B. das Ding bauen tut man nur einmal, kann man also als S zusammenfassen und ich sortiere neu, sowie nummeriere neu:
FF1: FZ1 O
FF2: FZ2 O
FF3: FZ3 O
FF1: FZ4 T
FF2: FZ5 T
FF3: FZ6 T
FF1: FZ7 S
FF2: FZ8 E
FF3: FZ9 E
FF1: FZ10 E
natürlich brauche ich auch ein Ziel die Evaluationsmethode selbst auszusuchen, bevor E startet und ggf. nehme ich die Theorie auch zusammen:
FF1: FZ1 O
FF2: FZ2 O
FF3: FZ3 O
FF1: FZ4 T
FF1: FZ5 S
FF1: FZ6: Evaluationsmethode wählen
FF2: FZ7 E
FF3: FZ8 E
FF1: FZ9 E
Hier könnte ich nun eine Qualitative und eine Quantitative Evaluation machen und sogar noch eine dritte. Damit haben wir alle Forschungsziele, statt OTSE steht da natürlich Text, im Sinne von SMARTen Zielen (spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert).
Ansatz und Aufbau der Arbeit
Hier kommt dann das Rahmenwerk der Methode raus und das was ich so genial daran finde.
Wir nehmen nun alle O-Ziele und schreiben dass wir zuerst eine Wissenschaftliche Recherche, nach Nunamker Observation machen in Kap. 2 (Stand der Wissenschaft und Technik) und dort die FZ1-3 bearbeiten. Wenn die Ziele erreicht wurden, gehen wir in die nächste Phase von Nunamaker, der Theory Building in Kap. 3 (Konzeption) und machen FZ4. Danach wird FZ5 in Kap. 4 Prototypische Implementierung bearbeitet, was der Nunamaker Phase System Development entspricht. Kap. 5 ist dann die Evaluation, nach Nunamaker Experimentation um den Prototypen zu testen, womit die letzten FZ7-9 erreicht werden. Die Arbeit schließt mit einem Fazit und Ausblick in Kap. 6 ab.
Das war die Methodik beschrieben, sowie das Kap. 1 einer Wissenschaftlichen Arbeit und ich lass all meine Studenten Kap. 1 zu mind. 75% ausgestalten und als Exposé mit Mustergliederung des Inhaltsverzeichnis, sowie einem Zeitplan abgeben. Denn spätestens hier weiß ich, ob sie es verstanden haben. Man kann dann später in jedem Kap. schön den Roten Faden spannen und die FZ abhaken.
Die Evaluationsmethodik ist hier nicht leicht, wir benutzen hier den Cognitive Walktrough für die Bachelor- / Master-Studenten und sobald ich weiß, wie ich meine Evaluation mache, kann ich das auch erzählen. Wobei meine Diss wird öffentlich zugänglich sein, sobald diese Veröffentlicht wurde.
Zu den Publikationen muss immer geschaut werden, wo "Call for paper" zu welchem Thema, in welchem Journal ist und dann dazu was schreiben. Das fällt mir z.B. sehr schwer, wenn die Diss noch nicht geschrieben ist, dann das Thema in unterschiedliche Richtungen zu beschreiben, also heute aus Sicht KI, morgen aus Sicht Ontologien, übermorgen aus Sicht der beruflichen Weiterbildung, etc. Das liegt einfach daran, dass jedes Journal sein eigenes Thema hat. Das fällt mir schwehr, dann ad hoc, weil meist sind es nur wenig Wochen bis zur Daedline, etwas ordentliches runter zu schreiben. Vor allem sind die Review-Prozesse sehr lang, sodass wenig Zeit zum schreiben ist. Weswegen ich jetzt die Diss runter schreibe und dann nach und nach veröffentlichen werde, weil ich dann nur umschreiben muss, statt neu zu erfinden.
So das war's zu "meiner" benutzen Wissenschaftlichen Methodik.
Zu dem LQG noch, ich hatte am 4.1. mein Fokussiertes LQG (LQG für bereits bestehende Führungskräfte). LQG steht für Leadership Quality Gate. Vorweg, das hab ich bestanden! Es ging 1,5h per Videokonferenz und die Agenda war wie folgt:
10 Min. Vorstellung (7min.) und Elevator Pitch (3min.) meinerseits
30Min. Interview, davon jeweils 15min. zu Agile Mindset und Leadership-Skill
10Min. Einarbeitung in Vorgang Mitarbeiter
15Min. Personalgespräch mit dem Mitarbeiter (Rollenspiel)
10Min. Beratung des Psychologen und des Beobachters
15Min. Feedback Gespräch
Elevator Pitch war eine Selbstpräsentation und ich hab genau 3:02min. gebraucht.
Ich habe eine Präsentation mit einem iPad als Bild genommen und darin die Bilder ausgetauscht und das so gemacht, als würden wir Bilder meiner Vergangenheit ansehen. Natürlich auch Profil und Skills etc., aber 3Min, sind schon sehr wenig - das war nicht leicht sag ich euch!
Das Interview war am leichtesten, da bin ich fest im Sattel. Das Personalgespräch im Rollenspiel war heftig, einfach nur weil die Zeit zu knapp war und ich zwei Fehlverhalten der Mitarbeiterin behandeln musste. Da waren einfach 15min. viel zu knapp um dem Mitarbeiter Zeit zu geben, seine Sicht der Dinge zu erzählen. Es gibt ja hier einen groben Leitfaden in der Literatur:
1. Smalltalk und angenehmes Klima schaffen
2. Eröffnung des Gesprächs: warum sind wir hier und um was geht's
3. Fragen, fragen, fragen bis man glaubt das Problem verstanden zu haben
4. Lösungsfindung
5. Maßnahmen festhalten
6. nächste Schritte festhalten und Ausleitung
Ihr merkt schon, 15min. ist einfach zu wenig!
Aber ich hab das wohl sehr gut gemacht und im Feedback Gespräch sehr gute Kritiken bekommen.
Das erste LQG hab ich nun genommen, nun habe ich am 8.1. mein Interview zu meiner Prio1-Stelle und am 13.1. zu meiner Prio2-Stelle. Man durfte auch eine Prio3 angeben, nur ich wollte keine andere. Hoffe das ich die Prio1-Stelle bekomme! Auf die Prio2-Stelle hab ich nun alle Voraussetzungen, da muss nach dem Interview nur noch raus kommen, ob sie mich haben wollen. Bei der Prio1-Stelle ist das leider nicht so, wenn die Ja sagen, muss ich durch das nächste LQG und das geht dann 5h und ist deutlich heftiger.
Bin gerade schon wieder dabei meine Selbstpräsentation zu erweitern mit "warum will ich die Stelle?", denn da hab ich womöglich 5Min.! Ihr lacht, aber das sind GANZE 2 Min. mehr. Mein Elevator Pitch waren 7 Inhaltsseiten jeweils eine Ein- und Ausleitungsfolie. Das bedeutet ich kann 4-5 extra Folien machen 🤣
Ich berichte nach den Interviews wie's weiter ging.
Wer heute Feiertag hat, schönen Feiertag!
Bearbeitet von SebastianL
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