Schicksal 2.0 - Vorsicht, Gejammer
Also vor etwa einem Jahr habe ich einen Eintrag geschrieben, in dem ich mitgeteilt habe, dass das Schicksal mich mal kann. Damals ist meine Mutter gestorben.
Anfang dieser Woche ist mein Vater, dem Tode nahe, ins Krankenhaus gekommen. Er ist seit 10 Jahren Epileptiker, anscheinend hatte er am Wochenende Krämpfe, hat alles an Tabletten genommen, was er nur finden konnte und ist dann zusammengebrochen oder hat geschlafen, oder beides, keine Ahnung. Jedenfalls lag er im Flur der Wohnung auf kaltem Laminatboden, nur mit Shorts bekleidet, und das mindestens 2 ganze Tage und Nächte lang, also von Sonntag früh bis Dienstag früh. Da hat meine Schwester dann die Feuerwehr gerufen, die Tür wurde aufgebrochen und er war natürlich total unterkühlt. Seine Körperkerntemperatur betrug 31 Grad.
Man hat ihn reanimieren müssen, da kaum noch Lebenszeichen vorhanden waren, mittlerweile liegt er angeschlossen an allem, was nur geht, und ohne die Maschinen wäre er nicht mehr. Die Nieren arbeiten so gut wie gar nicht, er hängt an einem permanenten Dialysegerät.
Das Krankenhaus ist zu weit weg, ich kann nicht jeden Tag hin, aber heute war ich da, und es war natürlich sehr aufwühlend. Gestern hab ich mich ja noch mit Lernen ablenken können, gestern abend hieß es dann aber, sein Zustand sei schlechter geworden. Heute ist es ein bisschen besser, er braucht nicht mehr ganz so viel Sauerstoff und die Nieren haben eine minimale Tätigkeit aufgenommen.
Ihr wisst gar nicht, wie mich das alles nervt. Diese Ungewissheit, wird er, und wenn ja, wie? Und wenn nein, wann? Er wollte immer eine Patientenverfügung machen, seine größte Angst, irgendwann nur noch von Maschinen am Leben gehalten zu werden, genau das wollte er immer verhindern. Aber es ist nie zu der Verfügung gekommen und nun ist es tatsächlich so. Wenn er sich selbst sehen könnte, dann würde er nur wollen, dass man die Maschinen ausmacht.
Ehrlich? Selbst wenn es eine Verfügung gäbe, weiß ich nicht, ob ich sie abgeben könnte. Es war zwar sein Wunsch, den sollte man respektieren, andererseits die Frage: hätte er es vielleicht doch nochmal geschafft?
Der Arzt sagt, rein theoretisch könnte er sich so erholen, dass er genau so wird wie vorher. Aber man kann eben überhaupt keine Prognose abgeben. Es kann so kommen, aber auch so.
Ich weiß ja, dass er krank war und viele Tabletten schlucken musste. Auch, dass er immerhin "schon" 70 ist, obwohl ich ihn für 70 Jahre noch recht fit fand. Es war mir also klar, dass er auch mal gehen muss, aber so? Wegen einer Unterkühlung, da er Tage auf dem Boden vor sich hinsiecht? Das ist echt traurig.
Freitag haben wir noch telefoniert und er sagte, dass er wenigstens noch 5 Jahre "machen" will.
Trotzdem hat es mir gut getan, ihn heute zu sehen. Sollte er jetzt für immer einschlafen, hab ich mich wenigstens nochmal verabschieden können.
Es tut mir leid, ich weiß, dass das hier kein Forum für Trauernde ist, aber ich möchte mir das einfach mal von der Seele schreiben. Denn es betrifft ja auch mein Leben, und somit mein für mich sehr wichtiges Studium. Ich möchte unbedingt lernen, es ist schon schwer genug, mit drei kleinen Kindern und einem Mann, der fast täglich 12 Stunden weg ist. Ich habe den riesen Schock, dass meine Mutter gegangen ist, verkraften müssen. Und jetzt noch mein Vater. Dabei möchte ich einfach nur in Ruhe leben, lernen, studieren, an meiner Zukunft basteln.
Der erste Schock ist schon vorbei, den hatte ich Dienstag früh, als man ihn gefunden hat. Mittlerweile möchte ich nur in Ruhe schlafen können. Aber das geht nicht, da man ständig aufs Handy achtet. Letzte Nacht war extrem schlimm, da der Arzt auch noch meinte, wir sollten uns bereit halten, falls etwas ist. Es ist so extrem nervenaufreibend, nicht zu wissen, was jetzt passiert. Man weiß auch noch nicht, wann man ihn wecken kann, diese Woche bestimmt nicht mehr, vielleicht nächste oder übernächste. Und wenn er dann bei Bewusstsein ist, und sagt, dass er das alles nicht möchte, dann können sie die Maschinen erst ausstellen.
Irgendwie hab ich das Gefühl, es ist immer was. Irgendwas ist immer und irgendwer wird entweder immer krank oder stirbt. Tja, selbst daran kann man was gutes sehen: danach habe ich niemanden mehr, bei dem in naher Zukunft ein Tod zu erwarten ist. Ohne Eltern zu sein ist nicht schön, niemand wird einen jemals so lieben wie die Eltern.
Ich weiß, dass ich das schaffe, ich bin ziemlich stark, wenn es sein muss. Aber ich wünsche mir nur, dass sich das ganze nicht allzu lange hinzieht und sich bald eine Tendenz abzeichnet, ob es nun bergauf oder eher bergab geht.
Morgen stürz ich mich wieder ins Studium, komme, was wolle. Es lenkt mich ab und tut mir gut. Ändern kann ich an der Situation eh nichts mehr.
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